Sarah Schreiber
Zusammen mit ihrer Familie wohnt Sarah Schreiber in Starrkirch-Wil. Sie wurde 1990 geboren, ist Rechtsanwältin und sitzt seit 2021 für die CVP im Solothurner Kantonsrat.
Die erste Session in der neuen Legislatur 2021-2025 liegt hinter uns. Bilanz eines frischgebackenen Mitglieds des Kantonsrats.
von Sarah Schreiber, Kantonsrätin
Vorbereitung
Von verschiedenster Seite wurden immer wieder Aktenberge erwähnt, die einem Kantonsratsmitglied jeweils nach Hause per Post zugesandt würden. Gespannt prüfte ich täglich den Briefkasten. Die Aktenberge kamen, und zwar immer wieder. Die erste Herausforderung bestand darin, alle Unterlagen sinnvoll zu ordnen. Ordnung in den Unterlagen erlaubt nicht nur die notwendige Triage, sondern ermöglicht es auch, bei stetig wechselnden Traktanden den Überblick zu behalten. Die Einhaltung der Chronologie von Traktanden hat nämlich weder in den Fraktionssitzungen noch im Plenum Priorität, wie mir bereits in den ersten Wochen auffiel. Dies aus guten Gründen, doch dazu später mehr.
Das erste Highlight war die konstituierende Fraktionssitzung kurz vor der Session. Unsere Fraktion besteht bekanntlich aus 21 Kantonsräten, darunter 20 von der CVP und André Wyss von der EVP. Als Kulisse für unsere Entscheidfindung diente der ehrwürdige Kantonsratssaal. Sämtliche Tische im Kantonsratssaal sind mit einem Messingschild versehen, auf dem der Name eines Parlamentariers steht. An diesem Abend tat es eine Tafel Schokolade mit unseren Portraits drauf, damit der gebührende Abstand gewahrt wurde. Wie man es von einer Mitte-Partei erwarten kann, kam es zu einigen Diskussionen. Es folgte jeweils die fraktionsinterne Vorabstimmung, welche schliesslich doch gar nicht selten einstimmig ausfiel. Für die Traktanden am Dienstag waren wir vorbereitet. Auch einige Geschäfte vom Mittwoch konnten wir bereits vorbehandeln, insbesondere die „Zeitungsfragen“. Für die verbleibenden Geschäfte war der Dienstagnachmittag reserviert. Zwei Tage mit vollem Programm standen an.
Session
Wie man sich denken kann, sind die Coronamassnahmen im kleinen Kantonsratssaal im Ratshaus in Solothurn unmöglich umsetzbar bei der Anwesenheit von 100 Parlamentariern, 5 Regierungsräten, Angestellten der Parlamentsdienste und Medienschaffenden. Daher wird aktuell für jede Session ein neuer Standort gesucht, der eine geeignete Lokalität für hitzige Diskussionen „extra muros“ bietet. Die Wahl fiel bisher auf das Sportzentrum Zuchwil, das CIS Sportzentrum in Solothurn, die Betoncoupe Arena in Schönenwerd sowie auf die Kiesofenhalle in Attisholz.
Für den Start in die neue Legislatur sollte es nun Grenchen sein, die Technologiestadt im Grünen, wie es auf der Homepage der Gemeinde heisst. Als Ratssaal diente das Velodrome in Grenchen. Wo normalerweise also Sportler ihre Runden auf dem Velo drehen, begann am Dienstagmorgen nach einer kurzen Eröffnungszeremonie der Reigen der Ansprachen. Dabei verdient die Rede des jüngsten Kantonsratsmitglieds eine spezielle Erwähnung. Mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit hielt Marlene Fischer (25J.) eine flammende Rede über Engagement und Anliegen der jungen Generation.
Nachdem sämtliche Ämter innerhalb des Rates verteilt und die neuen Mitglieder vereidigt waren, konnte mit dem eigentlichen Programm begonnen werden. Es standen insgesamt 81 Geschäfte verteilt auf 1.5 Tagen an, wobei 24 Wahlgeschäfte Erneuerungswahlen mittels Gesamtliste darstellten und somit keine Diskussionen im Plenum bedeuteten (sehr wohl aber im Vorfeld in den Fraktionssitzungen). Behandelt wurden insgesamt 70 Geschäfte (2 Vereidigungen, 2 Sachgeschäfte, 4 Notverordnungen, 40 Wahlgeschäfte, 9 Aufträge, 2 Volksaufträge, 5 Interpellationen, 6 diverse Geschäfte). 2 Aufträge wurden zurückgezogen (vgl. zum Ganzen: Beschlussesübersicht der Mai-Session).
Bekanntlich sind die Sessionen top organisiert, auch in den provisorischen Ersatzratssäälen hat alles seinen Platz. Die Verpflegung hat auf die neue Legislatur hin – Corona sei Dank – eine Steigerung von Sandwiches zu einer warmen Mahlzeit erfahren. Flexibilität war gefragt hinsichtlich der Reihenfolge der Traktanden. Für alte Hasen wohl kaum erwähnenswert, war dies für mich eine erste wichtige Lektion: mit fortschreitender Zeit haben gewisse Geschäfte auf einmal Vorrang, zum Beispiel Aufträge vor Interpellationen. So sprang der Alterspräsident Hugo Schumacher in der zweiten Hälfte des Dienstagmorgens nach meinem Empfinden quasi von Geschäft zu Geschäft. Am ersten Tag gab die Begrenzung des Pendlerabzugs viel zu Reden. Eindrücklich für einen Neuling wie mich war, wie viel Gewicht auch prinzipiellen Anliegen beigemessen wird, die an gegebene Grenzen stossen. Anschauliches Beispiel hierfür war ein herzzerreissendes Votum für die Aufnahme von Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern. Im Wissen darum, dass der Kanton Solothurn im Alleingang und ohne Absprache mit den Gemeinden dazu weder rechtlich noch tatsächlich in der Lage ist, stimmte ich entgegen meinem geweckten Bedürfnis zu helfen dagegen. Was blieb war ein Gefühl, dass nichts unmöglich ist. Am zweiten Tag bot sich auch die eine oder andere Überraschung, wie beispielsweise gewisse Wahlresultate oder die (knappe) Annahme der Volksinitiative „Cannabis-Legalisierung“, mit der die Regierung nun beauftragt wurde, eine entsprechende Standesinitiative auszuarbeiten.
Nach Diskussion und anschliessender Genehmigung der sog. Corona-Geschäften war die erste Session zu Ende. Mein Kopf drehte, als ich auf die Velobahnen blickte. Ich werde das Erlebte noch einige Male Revue passieren lassen und kann es kaum erwarten, bis es weitergeht.